Wie Viel Gewicht Kann Ein Kletterseil Halten? Tests & Zahlen

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Diese Frage klingt simpel. Sie ist es aber nicht, weil die Antwort auf limitierende Faktoren hinweisen muss. 

Am Kletterseil hängen Menschenleben. Unabhängig von deren Körpergewicht bestimmen Parameter wie Seildicke, Seilalter, bereits festzustellende Abnutzung, Zahl der abgefangenen Stürze und unsachgemäße Verwendung, wie viel Gewicht ein Kletterseil hält.

Ein beschädigtes und mürbe gewordenes Kletterseil kann niemals das Versprechen halten, 80 Kilogramm zu halten.

Vom Kletterseil hängt Dein Überleben ab

Eine gute Handreichung über Kletterseile hat Edelrid mit seiner Seilfibel erstellt. Hier erfahren Kletterer, wie Edelrid Kletterseile hergestellt werden, welche Fragen und Probleme dabei im Vordergrund stehen und welche Tests ein Seil überstehen muss, bis es zum Kunden kommt. 

Aussortierte Seile gehören nicht zwangsweise auf den Müll. Sie können an anderer Stelle noch Nutzen entfalten. Das Sturzgewicht eines Kletterers können sie jedoch nicht mehr sicher abfangen.

Die Frage nach dem Gewicht, welches ein Kletterseil halten kann, wird in Foren häufiger gestellt. Pauschale Antworten gibt es nicht. Ein Faktor ist beispielsweise eine Schwachstelle, die häufig relevant wird: Das Kletterseil hängt in einem Sicherungshaken. 

Löst sich dieser, ist es erst einmal egal, wie viel Gewicht das Seil gehalten hätte oder hoffentlich halten wird. Die Schwachstelle liegt zunächst ganz woanders. Ist das Kletterseil marode, sieht es schlecht aus. Theoretisch kann das benutzte Seil 10 kN Gewicht halten. Das entspräche 1000 Kilogramm, je nach Seildicke.

Viel wichtiger als diese Größe ist jedoch der sogenannte Sturzfaktor. Dieser Faktor kann berechnet werden. Bestimmende Parameter sind die Höhe, aus der der Sturz erfolgt, sowie die Länge an Seil, die ausgegeben wurde. Die Formel lautet:

Sturzfaktor = Sturzhöhe geteilt durch Seillänge

Bei Stürzen aus niedriger Höhe beträgt der Sturzfaktor meist 0,5. Er kann sich aber erheblich erhöhen, wenn die erkletterte Höhe höher und die ausgegebene Seillänge maximal ist. Moderne Kletterseile halten ein Vielfaches von dem, was die früher verwendeten Hanfseile aushielten. Trotzdem hängt alles an der sachgerechten Verwendung, Pflege und Lagerung. Seile, die bereits mehrere Stürze abgefangen haben, halten weniger Gewicht, als Kletterseile, die neu gekauft wurden.

Verwandter Artikel: Wie pflegt man sein Kletterseil?

Welches Gewicht muss ein Kletterseil abfangen können?

Einfachseile müssen laut Norm EN 892 zumindest fünf Stürze abfangen, bei denen 80 Kilogramm Gewicht und ein Sturzfaktor von 1,75 zum Tragen kommen. Doch nur beim ersten Sturz beträgt die Fangstoßkraft 12 kN. Bei allen nachfolgenden ist sie niedriger. 

Für Zwillingsseile werden 80 Kilogramm Sturzgewicht, aber 12 Normstürze zugrunde gelegt.

Halb- bzw. Doppelseile müssen im Test nur ein 55 Kilogramm schweres Fallgewicht aushalten und dabei fünf Normstürze lang stabil bleiben. Halbstatische Kletterseile (Statikseile) fangen durch ihre mangelnde Dehnungsfähigkeit zwar Stürze ab – aber nicht ohne Blessuren.

Verwandter Artikel: Wie erkennt man, ob ein Seil statisch oder dynamisch ist?

Soweit, so gut. Aber was ist ein Sturzgewicht im Vergleich zum Körpergewicht? Und was ist ein Normsturz? 

Der Gewichtsfaktor wird relevant, wenn Du in einer Seilschaft kletterst. Wenn Dein Partner der Sichernde ist und erheblich mehr wiegt als Du, dann ändert sich der Fangstoß. Er wird von Dir als Stürzendem als härter wahrgenommen. 

Schon ein um 10 Kilogramm höheres Körpergewicht beim Sichernden sollte zusätzliche Sicherungsmaßnahmen für Dich als Kletterer nach sich ziehen. Dein Körpergewicht entfaltet beim Sturz eine erhebliche Dynamik. Diese erhöht das Körpergewicht zum sogenannten Fallgewicht. Diese Gewichtsangabe ist um ein Vielfaches höher anzusetzen, als das, was Du tatsächlich an Körpergewicht auf die Waage bringst.

Auf der Bergfreunde-Webseite kann die Aufprallkraft eines stürzenden Kletterers bei verschiedenen Körpergewichten und Sturzhöhen beispielhaft berechnet werden.

Wenn Du 70 Kilogramm wiegst und nur zwei Meter tief abstürzt, muss das Kletterseil bereits eine Aufprallkraft von 140 Kilogramm aushalten. 

Bei sechs Metern Sturztiefe sind es aber schon 420 Kilogramm. In diesem Online-Rechner wird auch demonstriert, dass der fünf Meter tiefe Absturz eines 90 Kilogramm schweren Mannes einen Kraftaufwand erfordern würde, als wolle jemand 450 Kilogramm Gewicht heben. Kein Mensch könnte solche Gewichtsbelastungen abfangen. 

Bei 80 Kilogramm Körpergewicht fallen 350 Kilogramm Sturzgewicht an. Das relativiert die Frage nach dem Gewicht, das ein Kletterseil halten kann.

Normstürze und Testbedingungen sind unrealistisch

Normstürze bilden eine rechnerische Grundlage für die Bemessung der Reißfestigkeit von Kletterseilen. Zugrunde gelegt wird ein neues (!) Kletterseil. Dieses muss als Minimum die angegebene Zahl an Normstürzen aushalten können. 

Normstürze sind jedoch wenig praxisnah, weil sie unter Testbedingungen ausgeführt werden. Eine hohe Zahl an Normstürzen bedeutet jedoch eine größere Sicherheitsreserve. Diese qualifiziert ein Kletterseil als „Multisturzseil“. 

Das ist bei der Angabe von 12 Normstürzen der Fall. Diese „Qualifikation“ oder Kennzeichnung bedeutet aber lediglich, dass von einem neuen Kletterseil (!) mehrere leichtere Stürze ausgehalten werden können. Bei einem alten, aber unbenutzten Kletterseil kannst Du diesen Faktor nicht mehr annehmen – und bei einem bereits beschädigten erst recht nicht.

Stürzt Du aber schwer ab, solltest Du nicht annehmen, dass Du Dir das mit demselben Kletterseil noch elf weitere Male leisten könntest. Als sicherheitsbewusster Kletterer nimmst Du beim nächsten Klettertrip ein neues Kletterseil.

Verwandter Artikel: Wie wählt man das richtige Kletterseil aus?

Natürlich könnte es sein, dass Dein Seil weitere Abstürze aushalten kann. Da Du aber nie wissen kannst, wie viele, gehst Du besser auf „Nummer Sicher“. Eine Fehleinschätzung kann zu schweren Verletzungen und im schlimmsten Fall zum Verlust Deines Lebens führen.

Die DAV-Unfallstatistik verzeichnet immerhin sechs tödlich ausgegangene Kletterabstürze für 2016. Fünf davon sind beim Alpinklettern passiert, einer an einer Kletterwand. Das klingt nach wenig – aber erfasst wurden lediglich Mitglieder des Deutschen Alpenvereins (DAV).

Hier werden zehn Szenarien beschrieben, wie Kletter Unfälle passieren könnten.

Unabhängig von der Frage, wie viel Gewicht Dein Kletterseil halten kann, ist Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit ein viel wichtigerer Faktor, wenn es um Unfallgefahren geht. Verlässt Du Dich nur auf die Tragkraft Deines Kletterseils und strapazierst dessen Belastungsfähigkeit durch zu viel Routine oder nachlässiges Handling, wird sich das nicht auszahlen. 

Abgesehen davon, lassen sich manche Sturzsituationen nicht in genügendem Ausmaß unter Prüfsimulationen herstellen. So scheitern zum Beispiel Tests auf Scharfkantenfestigkeit durch die vorgegebenen Prüfbedingungen.

Wirkt beispielsweise bei einem Sturz ein scharfer Felsengrat schräg auf das Kletterseil ein, reißt es vermutlich ganz unabhängig von Deinem Körpergewicht – vor allem, wenn es bereits einen oder mehrere Stürze abgefangen hat, oder Schäden durch unsachgemäße Lagerung aufweist. 

Da nützt auch die schönste Sturzdehnung nichts. Als Grundregel gilt: Wenn ein Kletterseil schon einen heftigen Absturz abgefangen hat, sollte es sicherheitshalber ausgewechselt werden. 

Mehrere leichte Abstürze verkraftet ein Kletterseil – aber nur bis zu angegebenen Normsturz-Zahl, und nur, wenn es richtig gelagert und gepflegt wird. Außerdem solltest Du vor jedem Klettertrip Deine Seile auf Schäden untersuchen.

Was sind wichtige Parameter bei der Normprüfung?

Normprüfungen werden von den Kletterseil-Herstellern unter festgelegten Sturzbedingungen vorgenommen. 

Solche Bedingungen kommen aber in der Realität eher nicht vor. Schon das erschwert die Frage, welches Gewicht ein bestimmtes Kletterseil halten kann. Es gibt immer nur Mittelwerte und theoretische Rechengrößen, die für solche Berechnungen zugrunde gelegt werden können. 

An der Kletterwand spielen aber noch weitere Faktoren eine Rolle. Diese stellen das X oder die Unbekannte in jeder noch so guten Gleichung dar. Was nützt es, wenn das Kletterseil das eigene Gewicht und das dazu addierte Fallgewicht hätte halten können, wenn ein Knoten falsch geknotet wurde, wie hier geschehen? 

Das Seil trifft an diesem tödlichen Sturz in einer Kletterhalle jedenfalls keine Schuld.

Der Sturzfaktor im Test

Bei der Normprüfung von Edelrid* werden beispielsweise Sturzhöhen von fast fünf Metern und ausgegebene Seillängen von fast drei Metern zugrunde gelegt. Der damit berechenbare Sturzfaktor wird mit 1,7 angesetzt. 

Es handelt sich dabei absichtsvoll um eine starke Sturzbelastung, die im Regelfall beim Klettern eher selten vorkommt. Das bietet jedoch eine gewisse Sicherheitsreserve, die beim Testergebnis mit eingerechnet wird. Beim Test mit Einfach- oder Zwillingsseilen wird in der Sturzprüfanlage so oft ein Gewicht von 80 Kilogramm in das Seil fallen lassen, bis es durchreißt. 

Bei Halbseilen fallen Gewichte von 55 Kilogramm ins Kletterseil, bis dieses reißt. Mindesten fünf solcher Normstürze muss jedes Halbseil überstehen. Bei Zwillingseilen sind es 12 Normstürze. Aufgrund der vordefinierten Testbedingungen sollten die Kletterseile tatsächlich mehr als das aushalten können.

Die Fangstoßprüfung im Test

Neben der Normstoßprüfung wird immer auch eine Fangstoßprüfung vorgenommen. Mit dem Begriff „Fangstoß“ wird die maximale Energie bemessen, die bei einem Normsturz auf das Fallgewicht einwirken kann. 

Je dehnungsfähiger das Kletterseile ist, desto eher kann diese Energie zum Teil aufgefangen und abgeleitet werden. Wenn der Fangstoß sehr hoch ist, nimmst Du den Sturz als heftiger wahr. Damit wird auch die Energiefreisetzung erhöht, die auf das Kletterseil und die genutzte Sicherungskette einwirkt. 

Einfach- und Zwillingsseile müssen einen Fangstoß haben, der bei 12 kN liegt. Sie können also umgerechnet maximal 1200 Kilogramm Gewicht tragen. Halbseile müssen einen Fangstoß von maximal 8 kN aufweisen. Das bedeutet eine Maximal-Traglast von 800 Kilogramm.

Statische Versuchsanordnung versus dynamische Reaktion

Alles schön und gut – aber unter realen Bedingungen sind solche Messwerte fragwürdig oder irrelevant. In solchen Versuchsanordnungen wird das Kletterseil nämlich statisch fixiert. 

An einer Kletterwand wird es jedoch bei einem Absturz dynamisch abgefangen. Die Sturzenergie wird also ganz anders aufgefangen als im Testlabor. 

Der Grund dafür sind die eingesetzten Sicherungsgeräte, die das Kletterseil abbremsen. Außerdem können ein gut reagierender Kletterpartner oder eigene Maßnahmen, die den Sturz abfedern helfen, bessere und dynamischere Bedingungen erschaffen. 

Daher ist der Partnercheck eine ebenso wichtige Maßnahme, wie das Üben des eigenen Verhaltens in Krisensituationen. Denn bei Nutzung bestimmter Sicherungsgeräte musst Du entgegen dem eigenen Instinktverhalten handeln.

Die Gebrauchsdehnung

Als Gebrauchsdehnung wird eine Dehnung von Kletterseilen bezeichnet, wie sie unter Sturzbedingungen oder statischen Belastungen wie dem Hochziehen von Material gegeben sein soll. 

Bei der Seilprüfung wird folgendermaßen vorgegangen: Im ersten Test wird das Kletterseil mit 80 Kilogramm belastet. Danach wird mit einer 5 Kilo-Vorlast eine Seillänge von einem Meter markiert. Nun wird erneut mit einem 80 Kilo schweren Gewicht belastet. Alles, was jenseits der gekennzeichneten 100 Zentimeter liegt, ist die Seildehnung in Prozent.

Einfach- und Zwillingsseile dürfen maximal 10 Prozent, Halbseile maximal 12 Prozent statische Dehnung haben. 

Um sicher zu klettern, ist jedoch die dynamische Seildehnung relevanter. Sie sagt eher aus, wie das Bremsverhalten von Kletterseilen ausfällt. Gemessen wird die dynamische Dehnung beim ersten Normsturz. Hier geht es darum, wie sich die Seillänge beim Absturz verlängert.

Der dynamische Dehnungswert darf bei einem Kletterseil nicht höher als 40 Prozent liegen.

Die dynamische Dehnung von Kletterseilen wird oft falsch eingeschätzt. 

Kletterseile mit großem Fangstoß haben eine ebenso geringe statische wie dynamische Dehnung. Bei einem kleinen Fangstoß erlebst Du jedoch eine hohe dynamische Dehnung. Erreicht wird die Dehn Reserve durch eine künstliche Schrumpfung der Kletterseile im Autoklaven. Je öfter ein Kletterseil stark belastet wird, desto eher ist seine Dehnungsfähigkeit erschöpft.


Achtung: Beim Klettern musst du auf deine Sicherheit achten! Die Informationen auf climbtheearth.com helfen dir nur beim Lernen. Bevor du kletterst, solltest du sicherstellen, dass du von einem Experten richtig eingewiesen wurdest und dass du alle Sicherheitsvorkehrungen befolgst.

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